Ein Tag im Leben einer Franchiselizenz-Verkäuferin
Es ist Freitag. Erfahrungsgemäß ein guter Tag zum Telefonieren. Im CRM meines Franchisegeber-Kunden liegen 40 frische Facebook-Leads und zusätzliche 25 „warme“ Leads in meiner Wiedervorlage (Blogbeitrag „Was ist Leadgewinnung ?“). Vier Interessentinnen warten darauf, dass ich sie heute zur vereinbarten Uhrzeit anrufe und Ihnen alle Fragen zu einer Gründung mit genau diesem Franchisekonzept beantworte.
Um meinen Kopf auf diesen Tag einzustimmen war ich schonmal Joggen und hole mir gerade einen Kaffee bei meinem Lieblingsbäcker. Treffe eine Mutter aus der Klasse meines Sohnes und verquatsche mich zu der Frage, was wir der Lehrerin zum Abschied des Schuljahres schenken wollen.
Schaffe es gerade noch mit meinem Kaffee bis zu meinen Auto.
08:00 Uhr: Erstes Bewerberinterview
Die Interessentin wurde von einer Franchisepartnerin empfohlen. Das ist mir immer das Liebste. Sie ist gut vorbereitet und beantwortet meine Frage nach Ihrer Motivation bezüglich einer Selbständigkeit mit diesem Franchisesystem ausführlich und überzeugend. Ich habe weder Stift noch Zettel dabei und versuche, mir emotionale Anker für ihre Geschichte zu setzen, damit ich das Alles später sofort in mein ungeliebtes CRM einpflegen kann (Franchise Wiki „Welche Tools unterstützen (zukünftige) Franchisegeber beim Franchisesystem-Aufbau?“). Das Telefonat verläuft erwartungsgemäß freundlich und ist sehr informativ. Ein guter Start.
08:55 Uhr: Ich schaffe es gerade noch rechtzeitig ins Büro, um das nächste Bewerberinterview zu führen.
Lasse noch 3 Minuten verstreichen, starte meinen PC und logge mich in das CRM ein. Jetzt weiß ich wieder wer sie ist und für welchen Standort sie sich interessiert 🙂 Die Interessentin Nr. 2 ist trotz mehrfacher Terminbestätigung nicht erreichbar. Spreche ihr auf die Mailbox und notiere im CRM “AB RR” („Anrufbeantworter / Rückruf“) und checke meine Emails.
Finde mehrere Terminvorschläge für Bewerberinterviews von Interessentinnen und versuche meinen Terminplan für die nächste Woche zu strukturieren.
09:30 Uhr Interessentin Nr. 3
ist seit vielen Jahren selbständig und langjährige Kundin. Sie ist begeistert und ich bekomme zum tausendstenmal bestätigt, dass wir bezüglich Konzept, Personal, Produkten und Dienstleistungen alles richtig gemacht haben. Ich beantworte Fragen zur Investitionssumme, zu Gebühren, zum Standort, zu Schulungen und Personal. Nehme mir wiederholt vor, alle diese Erstinformationen vor den Bewerberinterviews per Video zu versenden. Das würde die ganze Sache enorm abkürzen und ich hätte nur noch die Einwände zu behandeln. Das Gespräch verläuft angenehm freundlich – ein Standardgespräch.
Ich schaffe es noch mir in der Franchisesoftware, die definitiv nicht für den Lizenzverkauf programmiert wurde, meine Notizen zu machen. Ich mag Digitalisierung nicht, bei der ich noch mehr verwalten muß als vorher. Es gibt wirklich Besseres.
Vor dem nahenden Wochenende muß ich dringend noch drei Termine für persönliche Gespräche in der übernächsten Woche klar machen.
Mittlerweile ist es fast 11:00 Uhr.
Es folgen ein paar kurze Emails bezüglich Terminkoordination für persönliche Gespräche in der Franchisegeberzentrale. Termin Nr.1 sitzt zum Glück ebenfalls vor seinem Rechner. Schnell noch die Bahnverbindung gecheckt – bestätigt. Während dessen trudelt eine weitere Terminbestätigung automatisch in mein Email-Postfach. Super – der von mir vorgeschlagenen Termin paßt bei Nr. 2 und somit in unser aller Terminkalender.
Termin Nr. 3 hat sich aus einem gestrigen Telefonat ergeben. Die Interessentin verspricht mir ihren Lebenslauf und ein Motivationsschreiben für den Sonntagabend und bestätigt den vorgeschlagenen Termin.
13:00 Uhr Hunger
Ich klicke mich umständlich durch die 25 Kontakte meiner Wiedervorlage. Jeder Kontakt muß 4x angeklickt werden. Für die Hinterlegung einer Notiz muß ich dreimal auf Speichern drücken. Eine Email aus dem System zu schreiben bedeutet: Kontakt anklicken, auf Email schreiben klicken, aus Vorlage suchen, die Vorlage speichern, meistens funktioniert die automatisch hinterlegte Anrede nicht, also nochmal zurück und händisch ändern, senden …puhhh. Kurz-Kennzeichen für den Kontakt ändern und neuen Termin in meiner Wiedervorlage festlegen. Versuche mich nicht über verschwendete Lebenszeit zu ärgern.
15:00 Uhr
Letztes Bewerberinterview für heute. Ich freue mich, weil die Gesprächsanbahnung vielversprechend war. Interessentin Nr. 4 ist bereits selbständig und hat einen laaaangen Fragebogen vorbereitet und ich bemühe mich, bevor sie mich mit Fragen bombardiert, noch schnell etwas zu ihrer Person und Motivation herauszubekommen. Sie hält sich bedeckt und startet mit ihrem Bombardement. Was kostet das? Wie hoch ist die Startgebühr? Was ist darin enthalten? Wie hoch sind die monatlichen Franchisegebühren? Wofür zahle ich die? Ich denke wiederholt an mein Video und lege mir im Kopf einen Termin für den Video-Dreh zurecht. Meine Lieblingsfrage “Wie viel Umsatz kann ich denn damit machen?” folgt auf dem Fuße. Ich versuche einer Unternehmerin verständlich zu machen, dass es ganz alleine an ihrem unternehmerischen Geschick liegt, wie viel Umsatz sie machen kann. Sie möchte sofort eine Umsatz- und Gewinnprognose und Beweise und ich frage sie, ob sie auch jedem der bei Ihrem Unternehmen anruft, ihre Umsatz- und Gewinnzahlen präsentiert. Um das Ganz nicht abgleiten zu lassen, weise ich sie freundlich auf unsere Geheimhaltungsvereinbarung und ein persönliches Gespräch in Berlin hin. Aber ich weiß jetzt schon “ist nicht unsere Kandidatin” und habe keine Lust mehr mich ausquetschen zu lassen. Leider auch ein Standardgespräch.
15:45 Uhr
Ich mache mir meine Notizen im CRM und strukturiere meine Wiedervorlage. Mir fallen meine nicht gemachten (Auto-) Notizen von heute morgen ein und ich schreibe alles in den CRM-Kontakt. Eine freundliche Email an die Interessentin gleich hinterher, mit ergänzenden Informationen und ich bin fast fertig.
Mein nicht zu erreichendes Telefonat Nr. 2 meldet sich per Email und teilt mir mit, dass sie die ganze Zeit versucht hat mich zu erreichen. Leider ohne Erfolg und ob ich sie nicht morgen, Samstag, 13:30 Uhr, noch einmal anrufen könnte. Diese Wochenend-Vorschläge kommen auch immer wieder, aber in 15 Jahren Franchiselizenzverkauf habe ich noch nie eine Franchisepartnerin / partner durch Wochenendanrufe oder Telefonate nach 19:00 Uhr gewonnen. Darüber muß man sich wirklich keine Gedanken machen. Ohne ein schlechtes Gewissen bitte ich um einen weiteren Terminvorschlag für die nächste Woche.
16:30 Uhr
Heute ist mein Geburtstag. Mein Sohn wartet mit Oma und Opa auf einem Motorboot mit einem Riesen-Picknick-Korb. Oma hat wie immer übertrieben, aber ich lasse mich verwöhnen und denke, wie so oft, über diesen großen Schritt in die Selbständigkeit nach. Letztendlich ist es wichtig sich so viele Fach- und Sachinformationen zu holen wie nur irgend möglich. Aber man kann die schönsten Businesspläne schreiben (oder schreiben lassen) und alles genau durchdacht haben, den ersten Schritt in die Umsetzung muß man letztendlich selber gehen, mit all seinen Konsequenzen, Herausforderungen und Freuden. Wie schaffe ich es bloß in einem Video “Unternehmertum” zu erklären? Hmmm….. ist wahrscheinlich wie Kinderkriegen – einfach unbeschreiblich 🙂