Transparenz im Franchising

ein Artikel von Peter Schwarzer, LeOS Franchise Consulting

Deutschland ist im internationalen Vergleich wenig transparent. Qualifizierte Investoren fragen nach detaillierten Informationen. Warum sollte Franchising hierzulande nicht von einem gut durchdachten Franchisegesetz profitieren?

Auf der European Master & Multi-Unit Franchising Conference in Wien im Januar ging es in zahlreichen Diskussionsrunden um die wichtigsten Aspekte der Beziehung zwischen dem Franchisenehmer und dem Franchisegeber. Oben auf der Liste Vertrauen, Kommunikation und Transparenz. Ich fragte die internationalen Podiumsteilnehmer, ob Transparenz, so wie beispielweise in den USA gesetzlich verankert, bei ihrer Expansion hinderlich oder förderlich sei. Die Antwort: What’s wrong with more transparancy? Franchisepartner zu rekrutieren ist harte Arbeit. In Deutschland ist es besonders schwer, weil man hier sehr viel risikoscheuer ist als in anderen Ländern. Information hilft Risiken vorzubeugen. Mehr Transparenz kann da helfen.

Gegenwind

Diese Meinung wird nicht von allen geteilt. Denn am Folgetag wurde ich von einem Vertreter des DFV auf meine Frage angesprochen. Bezugnehmend auf die Studie von Frau Prof. Dr. Dagmar Gesmann-Nuissl von der TU Chemnitz, meinte die Person, der Markt in Deutschland würde sich am besten selber regeln. Weiterhin sei die Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass es in Deutschland relativ wenige Streitereien zwischen Franchisegebern und Franchisenehmern gäbe, vor allem im Vergleich mit Ländern, in denen eine Franchisegesetzgebung vorliege.

Der Erbsenzähler in mir dachte sogleich: Woher weiß man eigentlich wie viele Gerichtsverfahren es in Deutschland zwischen Franchisegebern und -nehmern gibt? Andere Fragen kamen auf, so z.B. Was hat die Anzahl der Gerichtsverfahren mit gesetzlich verankerter Transparenz zu tun? Ist die Theorie des sich komplett selbst regulierenden Markts noch aktuell? Wenn gesetzlich verankerte Transparenz im Franchising dem Geschäftsmodell schadet, warum hat die Internationale Franchise Association in den USA, die wirtschaftspolitisch eher den Republikanern nahe steht, die Trump Administration davor gewarnt, das existierende Franchisegesetz zu schwächen?

Die Antwort ist einfach: das Gesetz hat Franchising nicht geschadet. Im Gegenteil, es hat dazu beigetragen, das Geschäftsmodell Franchising zu stärken und zu legitimieren. Um auf die weiter oben erwähnten Punkte zurückzukommen: Vertrauen und Kommunikation kann man nur mit Transparenz über das eigene Konzept und den Erwartungen an die beiden Parteien einer Franchisepartnerschaft erreichen, aber auch über das Geschäftsmodell selbst.

Behauptung oder belastbare Zahlen?

Nur weil es angeblich relativ wenig Gerichtsverfahren im deutschen Franchising gibt, liegt doch nicht die Schlussfolgerung nah, dass gesetzlich verankerte Transparenz nicht nötig ist. Zum einen interessiert mich, auf welchen Informationen diese Behauptung beruht. In den USA könnte ich unter Kapitel 3 des Franchise Disclosure Document nachschauen, wie oft der Franchisegeber seine Franchisenehmer verklagt hat und warum. Ich kann ebenso erfahren, wie oft Franchisenehmer ihren Franchisegeber verklagt haben, warum und wie das Urteil ausgefallen ist. So können Franchisekandidaten herausfinden, wie harsch ein Franchisegeber gegen seine Partner vorgeht. Der Franchisegeber hat die Gelegenheit zu erklären, warum manche Verfahren nötig waren, um die Marke zu schützen. Weiterhin haben Kandidaten einen Vergleichswert.

Wenn Subway 2018 rund 720 Gerichtsverfahren aufgrund der Gesetzgebung in den USA aufzählen muss, kann der Kandidat das in Perspektive setzen, indem er ausrechnet, dass damit knapp 3% der fast 24,800 Franchisenehmer geführten Standorte betroffen waren. Mit diesem Maßstab kann ein Kandidat Subway mit anderen Systemen vergleichen. Oder der Franchisegeber kann potentiellen Investoren mit handfesten Daten belegen, dass diese Zahlen entweder üblich sind oder sogar unter dem Schnitt liegen. Subtil wird hier eine Korrelation zwischen einer Franchisegesetzgebung und der Anzahl der Gerichtsverfahren suggeriert, ohne dass sie mit belastbaren Daten belegt wird. Wenn es belegbare Zahlen gibt, kann man ebenso argumentieren, dass die Gesetzgebung unterschwellige Konflikte in die Öffentlichkeit bringt. Das wiederum kann auch positiv gesehen werden. Die Wahrheit kommt raus, was ebenfalls der Transparenz dienlich ist.

Ein Franchisegesetz kann mehr als nur Gerichtsverfahren verhindern

Über juristische Streitigkeiten hinaus, profitiert Franchising von erhöhter Transparenz jedoch in anderen und vielleicht sogar noch wichtigeren Aspekten wie z.B. Finanzierung. Langsam verstehen Banken, dass Gründer, die einen Kredit für die Investition in ein Franchise beantragen ihre Geschäftspläne auf belastbaren Zahlen aufbauen können, nämlich die des bereits existierenden Systems. Gute Franchisegeber können auf die operativen Daten des gesamten Systems zugreifen und mit Durchschnittswerten ihrem neuen Franchisepartner glaubwürdige Informationen für die Bank liefern. Wie lange haben andere Standorte mit ähnlichen Eigenschaften — Laufkundschaft, Zielgruppe, etc. — bis zum break-even gebraucht? Wie hoch können die Margen sein? Diese Information gepaart mit ähnlichen Daten über vergleichbare Marken werden seit Jahren in den USA von hunderten von Franchisesystemen genutzt, um neuen Partnern die Finanzierung zu erleichtern.

Ein letztes Beispiel: Wie viele Presseerklärungen lesen wir, in denen Franchisemarken verkünden, in den letzten 12 Monaten hätten sie 10 neue Standorte eröffnet. Was uns niemand erzählt ist, wie viele geschlossen wurden. Kapitel 20 des Franchise Disclosure Document beinhaltet all diese Informationen. Der Vorteil: der potentielle Investor kann sich ein Bild von der Stabilität des Systems machen, diese im Kontext der Branche sehen und Fragen stellen. Der Franchisegeber hat die Chance zu erklären, was passiert ist. Denn die Schließung eines Standortes ist nicht automatisch negativ zu bewerten. Folgende Szenarien verpflichten einen Franchisegeber in den USA per Gesetz einen Franchisenehmer geführten Standort als „geschlossen“ zu bezeichnen:

  • Transfer (Übergabe an einen anderen Unternehmer)
  • Termination (Franchisevertrag gekündigt)
  • Non-Renewal (Franchisevertrag nicht erneuert)
  • Reacquired (Übergabe an den Franchisegeber)
  • Ceased Operation Other (Andere Gründe)

Diese Kategorien weisen nicht daraufhin, dass der Standort nicht wirtschaftlich war. Ein Standort, der an einen anderen Franchisenehmer übergeben wird (Transfer), weil der alte Betreiber nicht in der Lage war, ihn profitabel zu führen, kann von einem besseren Manager in ein lukratives Geschäft umgewandelt werden. Wenn sich kein anderer Investor findet, kann der Franchisegeber selbst in die Bresche treten und den Laden mit der Absicht übernehmen (Reacquired), ihn später wieder an einen Franchisenehmer zu verkaufen. Damit wird eine Schließung verhindert und die Marke erleidet keinen Schaden. Bei einer Vertragskündigung (Termination) wäre festzustellen, ob es zu einer Schließung kam. Beispielsweise werden Verträge auch gekündigt, wenn es nicht zu einer Finanzierung kommt. Ein weiteres Beispiel dafür, dass es nicht zu einer Geschäftsaufgabe kam.

Franchisenehmer, die ihren Vertrag nicht erneuern wollen (Non-Renewal) entscheiden sich vielleicht dafür, weil sie in Rente gehen wollen oder mit ihrem Standort etwas anderes machen wollen. Andere Gründe (Ceased Operation Other) müssen ebenfalls nicht auf Unwirtschaftlichkeit hinweisen. Eine Scheidung reicht, um ein profitables Geschäft schließen zu müssen. Ähnlich wie bei der Frage nach der Anzahl der Gerichtsverfahren, kann ein Franchisekandidat sich diese Zahlen im Kontext der Branche anschauen. Vielleicht ist es ja normal, dass 2% der Franchisenehmer geführten Geschäfte vom Franchisegeber akquiriert werden. Und wenn alle diese fünf Kategorien zustande kamen, weil das Franchise nicht profitabel ist, dann sollten potentielle Investoren dies wissen.

Wenn Franchisegeber und -nehmer in den USA, wo das Geschäftsmodel vermutlich besser etabliert ist als in anderen Märkten, gegen eine Verwässerung des Franchisegesetzes sind, dann deswegen, weil sie seit Jahrzehnten davon profitieren.